Hochschulgastronomie

„Ich hatte Ende 2020 gedacht, dass es schlimmer nicht werden kann und dann habe ich Ende 2021 festgestellt: Es geht doch!“
Andreas Dubiel
Leiter Hochschulgastronomie

Andreas Dubiel leitet seit 2018 die größte Abteilung des Studierendenwerks. Durch Corona hat sich sein Team allerdings ab 2020 um 51 Mitarbeiter:innen auf ca. 45 Beschäftigte verringert.
In 5 Mensen – 3 davon selbstkochende Mensen – und 7 Cafeterien in Landau, Ludwigshafen, Neustadt an der Weinstraße, Worms und Germersheim versorgten wir die 17.857 Studierenden aller Hochschulen.

Herr Dubiel, wie wichtig ist eine gute Mensa und Cafeteria für ein Studium?
Ich würde mal behaupten, essentiell wichtig, denn wir alle wissen ja: Ohne Mampf kein Kampf. Leerer Bauch studiert eben auch nicht gern. Die Mensen – das hat ihr Fehlen während der Pandemie überdeutlich gezeigt – sind auch soziale Orte der Kommunikation. Es werden mit Sicherheit mehr Netzwerke in der Mensa oder Cafeteria geknüpft als im Hörsaal. Die ersten Studierenden kommen in das vierte Semester, ohne jemals in der Mensa gewesen zu sein. Das muss sich unbedingt wieder ändern. Die Mensa und die Cafeteria sind zentrale Einrichtungen für einen lebendigen Campus. Und wer will schon auf einem ausgestorbenen Campus studieren?

Wie ist das Studierendenwerk mit Corona umgegangen?
Corona war und ist für uns ein „schreckliches Projekt“, auf dessen schnelles Ende wir seit zwei Jahren hoffen. Diese Hoffnung wurde leider genauso lange immer wieder enttäuscht. Das Einhalten ständig wechselnder Corona-Richtlinien hat natürlich enorme Ressourcen bei unserem eh schon stark beanspruchten Team in der Verwaltung gefordert. Aber letzten Endes hatten wir hier keine Wahl und haben uns immer an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. Und wenn es dann allzu unwirtschaftlich wurde, haben wir unsere Einrichtungen geschlossen. Froh bin ich über das große Verständnis und die Frustrationstoleranz sowohl unserer Gäste als auch meiner Mitarbeiter:innen. Wir haben in der Pandemie aus der Not eine Tugend gemacht und die Zeiten des Lock-Downs oder der to-Go-Versorgung genutzt, um unser eigenes Profil zu schärfen und unsere Infrastruktur zu verbessern. Wir haben zwei Cafeterien umgebaut und sind mitten in den Bauarbeiten für die neue Mensa in Landau und in Ludwigshafen. Wir planen und arbeiten also für eine Zukunft, die auch wir nicht so genau kennen: Wie viele Studierenden kommen langfristig wieder an den Campus zurück? Wird die Online-Lehre ein starker Faktor? Welche gastronomischen Leistungen müssen wir verändern? Nach vielem Nachdenken haben wir uns aber gesagt: Gegessen wird immer – noch sind wir nicht die Mensa der Fernuni Hagen!!! Ich habe die sichere Gewissheit, dass sich unser Engagement lohnen wird. Ich bin mir aber genauso sicher, dass wir dazu einen langen Atem brauchen.

Was war im letzten Jahr einfach, was war schwer?
Einfach war wirklich gar nichts. Nie dagewesene Einschränkungen haben auch unser Projektmanagement extrem erschwert. Auch Sinnfragen kamen noch dazu: Wollen wir das so machen? Wird sich das in Zukunft lohnen? Werden wir die Mitarbeiter:innen wiederfinden, die wir während der Pandemie gehen lassen mussten. Lohnt das überhaupt noch? Die weitaus größte Schwierigkeit war das Thema Personal, das wir auch an unser Ministerium kommuniziert haben, als es darum ging, die Verträge von langjährigen Mitarbeiter:innen zu verlängern. Wir haben uns ständig gefragt: Was kann man seinem Personal zumuten? Wer hat noch einen sicheren Arbeitsplatz und wer nicht? Bei der Personalplanung im Trüben zu fischen ist eines, das berufliche Schicksal der oft langjährigen Kolleg:innen entscheiden zu müssen, etwas ganz Anderes. Wir mussten also Prognosen machen für etwas, das niemand prognostizieren kann. Da braucht man eine Toleranz für eine hohe Fehlerquote: Es hätte ja auch alles anders kommen können.

Und, haben Sie retrospektiv alles richtiggemacht?
Wir haben alles richtiggemacht. Auch wenn ein paar Entscheidungen wirklich hart waren. Die Würfel sind am Ende – Stand heute – zu unseren Gunsten gefallen. Aber, mit dieser „Glücksspielmentalität“ war es schwer umzugehen: Ich plane für gewöhnlich sehr sorgfältig. 2021 war das aber eher wie am Casino-Tisch. Damit kann ich schwer umgehen. Leider hatten wir auch beim Fachkräftemangel recht: Der von uns prognostizierte Fachkräftemangel nach Corona ist absolut so eingetreten. Es wäre schön gewesen, mehr Personal durch die Krise retten zu können mit dem Rückenwind des Ministeriums. Die Maxime des Ministeriums war aber: Handeln Sie als Studierendenwerk wirtschaftlich. In diesem Fall hat das bedeutet: ohne Sozialplan oder Verständnis für die Situation der Mitarbeiter*innen. Im Nachhinein war das dann auch nicht wirtschaftlich, denn jetzt sind einzelne Mensen geschlossen, weil wir auf dem leergefegten Arbeitsmarkt kein Gastronomie-Personal mehr finden können. Wirklich schlecht gelaufen sind – sie verzeihen mir – die furchtbar formulierten Corona-Verordnungen, die mitunter den Eindruck erweckten, dass sie den Betroffenen ganz bewusst Spielraum lassen. Unmissverständliche und nicht widersprüchliche Regeln wären für unsere Gäste und uns definitiv besser gewesen. Wenn man Verordnungen macht, sollte man die Umsetzung in der Branche auch so kommunizieren, dass es in der Branche jeder verstehen kann. Wir haben uns öfter zur Exegese der Pandemie-Richtlinien getroffen mit unterschiedlichem Ausgang.

Die Zeit nach der Pandemie – was denken Sie darüber?
Ich glaube, dass die Digitalisierung und der Online-Unterricht für uns spürbar werden wird, wenn alle Bestimmungen aufgehoben sind. Aber ich glaube nicht, dass das in einer relevanten Größenordnung sein wird was unsere Dienstleistung angeht. Einen großen Einbruch bei den Essenszahlen konnten wir uns Ende 2021 noch nicht vorstellen. Lecker Essen auf einem attraktiven, vernetzten Campus wird auf jeden Fall eine Zukunft haben. Und wegen 10-20 Prozent Online-Lehre macht man seinen Bachelor oder Master nicht aus der elterlichen WLAN-Wolke im Jugendzimmer. Da bin ich mir recht sicher.

Wo steht das Studierendenwerk gut da?
Immerhin haben wir es erreicht, unser Stammpersonal halten zu können, was zeitweise nicht selbstverständlich war. Und das konnten wir auch nur, weil wir den Kolleg:innen mit einer Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100% immer das Zeichen gegeben haben: Bleibt uns treu, es geht auch wieder aufwärts. Sonst wäre die Personal-Lücke heute noch viel größer. Auch gut ist, dass die Umbauten in Landau und Ludwigshafen vorangehen. In 2023 wird sehr wahrscheinlich die erste der beiden Mensen – die Mensa Ludwigshafen – in Betrieb gehen können. Das wird in Ludwigshafen ein echter Quantensprung für uns. Die Mensa Landau wird sich wegen der komplexen Sanierung der Altlasten wohl eher erst 2024 der Fertigstellung nähern.

Wo steht es schlecht da?
Die Abhängigkeit vom Land bei unseren Um- und Neubauten ist groß und das Verfahren leider sehr zäh. Die Verzögerung bei den schon lange geplanten Bauarbeiten in Landau vor der Pandemie haben uns schwer getroffen. Es wäre besser gewesen, wenn die Infrastruktur schon vor der Pandemie fertig gewesen wäre. Eine Verschleppung der längst notwendigen Investitionen in unsere Mensa in Landau von über 10 Jahren war für uns sehr schädlich. Wir müssen dringend Wege finden, Genehmigungsläufe und bauliche Umsetzungen und Vergaben der öffentlichen Hand deutlich zu beschleunigen. Die verantwortlichen Stellen müssen deutlich schneller reagieren und besser koordiniert arbeiten.

Wo muss am dringendsten nachgebessert werden?
Personal, Personal, Personal. Wir sind mitten in einem akuten Hilfskräftemangel, auf den wir ja auch schon öfter hingewiesen haben. Die Hilfskräfte, die sich bei Vorstellungsgesprächen bei uns präsentieren sind qualitativ sehr viel schlechter als vor der Pandemie. Ohne diese Hilfskräfte bleiben unsere Mensen aber zu. Zuerst die kleinen Standorte, wie das komplette Jahr in unserer Mensa in der Landauer Bürgerstraße, dann auch irgendwann die großen Standorte. Politisch und tariflich muss alles getan werden, dass sich die Gastronomie-Branche vom Pandemie-Tsunami wieder erholen kann. Ich bin mir sicher – und das belegen auch die Zahlen des Verbandes der Hotels und Gaststätten – dass 20 Prozent der Mitarbeiter:innen in der Gastronomie aus der Branche abgewandert sind. Es wird eine mittel- bis langfristige Aufgabe sein, diesen Trend wieder umzukehren. Wenn es so weitergeht, sind die nächsten Betriebsschließungen nur eine Frage der Zeit. Natürlich trifft es dann immer zuerst die kleinen Standorte.

Wenn ich einen Zauberstab hätte, was würden Sie sich für ihre Abteilung wünschen?
Mehr Personal sowie engere Abstimmungen zwischen den Partnern des Hochschulumfeldes auf allen Ebenen. Das Studierendenwerk muss ein ständiger Partner werden, wenn universitäre Entwicklungen besprochen werden. In der Regel sind wir aber die Allerletzten, die etwas erfahren.

Wie systemrelevant sind Mensen und Cafeterien und wird ihre Wertschätzung dieser Relevanz gerecht?
Wir sind eben nicht nur ein Ort, um sich schnell und günstig warmes Essen zu besorgen. Ich will es mal frei nach Sitting Bull sagen: Erst wenn die letzte Mensa geschlossen ist, erst wenn der letzte Kaffee getrunken ist, erst wenn der letzte Schokoriegel über die Theke gegangen ist, werdet ihr feststellen, dass jeden Tag Döner oder McDonalds auch keine Lösung sind. Bei Preisen von 6 Euro und mehr für einen Döner sowieso nicht. Ich wiederhole mich da nochmal: Aus intellektueller und sozialer Sicht sind Mensen und Cafeterien der Melting-Pot, in dem ein Studium sein wichtigstes Seminar anbietet: Soziales Leben, Networking, Begegnung. Man sagt ja schon immer: Die Küche ist die Seele des Hauses. Das gilt auch für unsere Hochschulen. Mensen sind also absolut systemrelevant im System Hochschule. Außer sie studieren an der Fernuni. Ein kleines Beispiel: Unsere Idee zum Einsatz einer künstlichen Intelligenz in unserem Warenwirtschaftssystem wurde in der Mensa geboren und wird sehr erfolgreich – übrigens nicht nur für unser Studierendenwerk – umgesetzt.

Was sagten die Essenzahlen für 2021?
Oh je, das schlimmste Thema am Ende! Eigentlich sagten die Essenszahlen: Mach zu und lass zu!
Aber dann haben die Monate, in denen wir geöffnet hatten seit September 2021 unsere eigenen Erwartungen übertroffen. Allerdings waren die Erwartungen recht niedrig und sie waren Lichtjahre von unseren normalen Zahlen weg. Trotz der Restriktionen kamen aber Kund:innen zu uns. Das spricht sicher für uns. Auch was die Solidarität unserer Gäste angeht. Das lässt uns hoffen. Wir wurden nicht vergessen. Jetzt müssen wir daran arbeiten, dass sich wieder mehr Gäste an uns erinnern…

Wie sieht ihre Prognose für die Zukunft aus? Wie sieht die Verpflegung am Campus von Morgen aus?
Die Verpflegung von Morgen würde ich unter die Überschrift nehmen: Weniger isst mehr!
Die Kundenzahlen werden voraussichtlich etwas abnehmen. Die Zahl der Studierenden ist ja während der Pandemie deutlich gesunken. Das könnte schon ein Trend werden mit der verstärkten Online-Lehre. Unsere Angebotspalette könnte etwas reduziert werden, dafür aber die Qualität deutlich steigen. Eventuell werden wir weniger Vielfalt anbieten, aber dafür mehr Handwerk in unseren Rezepten umsetzen. Für mich ist das – sollten die Zahlen tatsächlich langfristig etwas sinken - auch eine Strategie: Mehr Nachhaltigkeit möglich machen, weil man sich auf weniger Angebot beschränkt. Also noch regionaler, noch saisonaler, noch höherwertige Küche. Noch mehr Handwerk schmecken und wissen, wo die Zutaten herkommen. Ich bin wirklich optimistisch und wir nehmen die Herausforderung an.

Ihr Ansprechpartner für den Bereich
Andreas Dubiel
Leiter Hochschulgastronomie
Xylanderstraße 17
76829 Landau
Tel.: +49 6341 9179 140
mensa@stw-vp.de
essen.stw-vp.de