Werkbericht 2021

Studierendenwerk Vorderpfalz

Erst wenn die letzte Mensa geschlossen ist;
erst wenn die letzte Uni-Kita zumacht;
erst wenn die erste Bachelor-Arbeit ohne Campus-Besuch geschrieben ist;
werdet ihr merken,
dass Helikopterkinder mit einem Studium aus der elterlichen WLAN-Wolke
keine guten Führungskräfte sein können.

Andreas Schülke

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Geschäftsführer Andreas Schülke
Geschäftsführer Andreas Schülke
„die letzten zwei Jahre haben wir tief in unsere unternehmerische Zukunft geblickt. Jetzt wäre es auch schön, die notwendige Ruhe und Unterstützung zu haben, auch effektiv daran zu arbeiten.“

Mehr Kommunikation auf Augenhöhe im Hochschul-Netzwerk!
2021 war ein sehr herausforderndes Jahr mit sehr vielen strukturellen und personellen Änderungen. Ein Jahr – um ehrlich zu sein – das keiner braucht und mit dem ich nach 2020 auch nicht gerechnet hatte. Aber 2021 war ein noch größeres Auf und Ab als 2020.
Natürlich haben wir immer wieder versucht, das Ganze positiv zu wenden und das Jahr genutzt, unsere Arbeit und unsere Standpunkte zu überdenken. Gemeinsam mit dem Ministerium nehmen wir über das Institut für Hochschulentwicklung e. V. an einer Studie zur Zukunft der Studierendenwerke in Rheinland-Pfalz teil. Sich ändernde Anforderungen erfordern eine Anpassungsfähigkeit der Studierendenwerke. Die Studie befasst sich erstmals ernsthaft und auf Augenhöhe mit den Studierendenwerken als wichtigem Partner in Hochschulnetzwerk. Dafür sind wir dankbar. Wir hatten erstmals das Gefühl, dass uns jemand in der Politik zuhört. Das war nach zahlreichen Eingaben des Studierendenwerks an die Landespolitik aber auch an der Zeit. Wie die Ergebnisse aussehen, weiß zwar Stand heute noch niemand, aber ein aktiver und wertschätzender Dialog ist immer positiv. Dem werden wir uns als Studierendenwerk auch immer stellen.

2021 hat uns gelehrt, dass man alles hinterfragen kann und das auch sollte. Sein Unternehmen umzugestalten ergibt aber erst dann Sinn, wenn man absehen kann, was die Zukunft bringt, oder was die Partner im Netzwerk Hochschule von einem erwarten. Wir sehen dem Ergebnis der Studie daher mit großer Spannung entgegen.

Die Krise als Chance?
Schaue ich persönlich auf das Jahr 2021 zurück, fühlt es sich für mich wie der langsame Abschied vom alten Studierendenwerk an. Und, wie es in Übergangsphasen wohl immer ist, fühlt man sich ein bisschen wie zwischen zwei Stühlen. Auch die zerstörte Hoffnung auf ein schnelles Ende der Pandemie hat zu diesem Gefühl beigetragen. Vielleicht war genau das 2021 am Schwersten: Als wir den Silberstreif am Horizont wieder verschwinden sahen und alle Mensen und Cafeterien doch bis September des Jahres aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen bleiben mussten. Also ein Jahr der Reinigung und des Innehaltens, die wir als Chance genutzt haben, ein positives und sinnvolles Bild unserer Arbeit von Morgen zu zeichnen.

Geht Studium ohne Präsenzen? Und wenn ja, was bedeutet das für das Studierendenwerk?
Ich erinnere mich daran, dass es anfangs bei Vielen die feste Überzeugung gab, dass das Studium der Zukunft sich in digitalen Lern-Welten auflösen würde und einige haben bereits vom digitalen Fernstudium für immer gesprochen. Ich konnte das nicht glauben und glaube das auch weiterhin nicht. Ich – und auch mein Team – glauben fest daran, dass ein Studium ohne Sozialisierung im eigenen Studierendenleben nur noch die Hälfte wert ist.
Mir kam die Pandemie daher immer eher wie ein – wenn auch recht sperriger – Katalysator vor, der endlich das vorangebracht hat, was wir eigentlich schon längst hätten tun sollen und was einem modernen Land wie Deutschland auch gut zu Gesicht gestanden hätte: Ein so gut es irgend geht digital unterstütztes Studium möglich zu machen. Da muss man der Pandemie ja fast dankbar sein, weil sie uns wachgerüttelt hat. Fettes Internet wird die Sozialisierung der Studierenden in ihrem eigenen Leben aber dennoch nicht ersetzen.

Wir sehen also keine wesentliche strukturelle Änderung bei unseren Angeboten. Studentisches Wohnen, Mensa und Cafeteria, die Kita und die Beratung werden auch weiterhin stark nachgefragt werden. Lediglich die demographischen Zahlen – es gibt einfach immer weniger Bürger:innen im studierfähigen Alter – sprechen langfristig für einen Rückgang der Studierendenzahlen. Hier kann nur eine verstärkte Zulassung internationaler Studierender entgegenwirken, wenn Deutschland ein starker Bildungsstandort bleiben will. Wir müssen mehr für ausländische Studierende tun und bessere Angebote für diese Studierendengruppe machen. Zum Beispiel über zentralisierte „Student Services“, die im Ausland oft gang und gäbe sind.

Richtig geärgert hat mich, das sich 2020 und 2021 die soziale Schieflage in unserer Gesellschaft mehr als deutlich gezeigt hat. Die, die das System zusammengehalten haben und die während der Pandemie dafür gesorgt haben, dass das „Unternehmen“ Deutschland einigermaßen zu unser aller Wohl weiterläuft, sind nach wie vor nicht die, die ein gutes und faires Gehalt verdienen. Ich schaue da konkret auf meine Mitarbeiter:innen in der Kita, die an jedem Lock Down und an jeder Verordnungslage vorbei immer am Start waren, damit Väter und Mütter arbeiten gehen können. Daran muss unsere Gesellschaft langfristig und sehr dringend arbeiten. Klatschen allein hilft hier nicht, sondern nur Wertschätzung, die sich auch auf der Gehaltsabrechnung, in fairen Arbeitsbedingungen und in guten Arbeitsverträgen zeigt. Sonst verlieren wir diese sozial engagierten Menschen langfristig.

Sorgenkind Fachkräfte
Sorgen macht mir auch der Fachkräftemangel. Meiner Ansicht nach wird sich die Situation extrem zuspitzen. Für uns haben sich besonders im Bereich der Hochschulgastronomie, als auch im Bereich der IT und natürlich im Bereich der Erzieher:innen fast unlösbare Personalaufgaben ergeben, die sich auch in Zukunft nicht von alleine abschwächen werden.
Wenn man das Beschriebene zusammenfasst, ist also ein Jahr der Geduld, der Resilienz und der Nabelschau zu Ende gegangen. Aber es stellt sich – auch wenn die Hoffnung auf das Ende der Pandemie immer konkreter wird – doch die Frage, ob das Ende der Pandemie auch das Ende unserer Probleme sein wird:
  • Eine Beratungswelle nicht sozialisierter Studierender wird auf uns zukommen mit allen Problemen, die „Erstsemester“ eben so haben.
  • Der Fachkräftemangel in der Gastronomie wird uns voraussichtlich dazu zwingen, Angebote am Campus zu reduzieren oder ganze Mensen zu schließen.
  • Erzieher:innen zu finden wird definitiv immer schwerer und eine Leistungseinschränkung oder temporäre Schließungen unserer Kitas drohen.
  • Auch die Wiederkehr aus der Kurzarbeit verläuft nicht immer glatt. Besonders, wenn zahlreiche Kolleg:innen in den letzten zwei Jahren 18-20 Monate zuhause in Kurzarbeit waren.
Wir können nur hoffen, dass die Landespolitik diese Probleme ebenfalls sieht und angeht und dem Studierendenwerk langfristig Unterstützung zukommen lässt.

Leere Akkus aber tolles Team
Ich stelle immer wieder fest, dass die Akkus bei allen ziemlich leer sind und dass der Wunsch nach einer betrieblichen Normalität immer übermächtiger wird. Hier können wir uns nur gemeinsam aus der Krise helfen und müssen die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter:innen ernst nehmen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis sich auch in den Köpfen wieder ein Gefühl der Sicherheit und der Beständigkeit einstellt. Ich kann sagen, dass die gesellschaftliche Situation in Vielen und in Vielem gute und schlechte Seiten zum Vorschein gebracht hat. Ich muss aber zu meiner Freude konstatieren, dass die guten Seiten in meinem Team und in meinem Unternehmen sehr deutlich überwogen haben. Dafür bedanke ich mich bei allen, die das Unternehmen 2021 zusammengehalten haben und auch bei meinem Verwaltungsrat, der auch schwierige Wege immer mitgegangen ist.

Für 2022 nehme ich mir vor, weiter am Studierendenwerk von Morgen zu arbeiten, unser Wohnheimprojekt für 199 Wohnheimplätze in der Landauer Annweiler Straße weiter voranzutreiben und die Modernisierung des Studierendenwerks im Auge zu behalten. Aber eins ist dabei ganz wichtig: Das Hin und Her während der Pandemie muss zum Ende kommen. Langfristig ist das von keiner noch so leistungsbereiten Belegschaft zu schaffen. Wir bitten bei allem Weiteren um eine klare und verlässliche politische Linie und um Unterstützung für eine gute Zukunft des Studierendenwerks.

Für unseren werkbericht 2021 haben wir ein etwas anderes Format gewählt, da auch 2021 kein mit irgendwas vergleichbares Jahr war. In Interviews werden meine großen Abteilungen davon berichten, wie sie das Geschäftsjahr erlebt haben.
Mir bleibt nur, ihnen eine angenehme Lektüre zu wünschen und mich bei allen zu bedanken, die an einem stabilen, krisenfähigen Studierendenwerk mitgebaut haben und weiter mitbauen werden.

Ihr Andreas Schülke
Geschäftsführer